#6: Injury rates and profiles of elite competitive weightlifters

Verletzungsraten und Verletzungsprofile von Elite-Gewichthebern

von Dr. Ingo Sandau

Theoretischer Hintergrund und Anliegen

 

Nicht nur in der Sportart selbst, sondern auch in anderen Sportarten steigt die Beliebtheit des Gewichthebens. Der Grund warum auch andere Sportarten das Gewichtheben im Rahmen des Krafttrainings nutzen ist, dass mit den Übungen die Schnellkraft in komplexer Form trainiert werden kann. Ein hohes Schnellkraftvermögen ist die Grundlage für viele sportliche Höchstleistungen. Beim Training mit Übungen aus dem Gewichtheben können – wie bei vielen anderen sportlichen Betätigungen auch – Verletzungen auftreten. Wenn Trainer wissen, welche Verletzungsmechanismen bestehen und wie häufig bestimmte Verletzungen sind, können sie den Trainingsprozess unter präventiven Gesichtspunkten besser steuern.

 

Obwohl zu Verletzungen im Gewichtheben bereits zurückliegende Analysen existieren, sind die Autoren der Meinung, dass dennoch eine falsche Einschätzung des Verletzungspotenzials für das Gewichtheben vorhanden ist. Es werden allgemein immer noch unverhältnismäßig hohe Verletzungsraten angenommen und auftretende Verletzungen falsch beschrieben. Das Anliegen der Autoren ist es, objektive Aussagen zu Verletzungen im Gewichtheben aufzuarbeiten.

 

Untersuchung

 

Die Wissenschaftler analysierten über sechs Jahre (1990-1996) die Verletzungsstatistiken eines Olympischen Trainingszentrums in den USA. Die gelisteten Verletzungen wurden hinsichtlich 1) Verletzungsbedingungen (Training, Wettkampf), 2) Verletzungsart (chronisch, akut, wiederkehrend), 3) verletzungsbedingte Fehltage, 4) Verletzungstyp (Fraktur, Prellung, Riss) und Verletzungshäufigkeit selektiert und statistisch ausgewertet.

Ergebnisse und sportpraktische Ableitung

 

In dem untersuchten Zeitraum wurden 873 Verletzungen gemeldet, von denen 560 Fälle dem Training zuzuordnen sind. Für den Wettkampf wurden keine Verletzungen registriert. Alle anderen 313 Meldungen sind als nicht sportbezogen eingeteilt. Die häufigsten trainingsbedingten Verletzungen traten am Rücken auf, gefolgt vom Knie und der Schulter (Abb. 1).
Insgesamt gehörten Verstauchungen, Überlastungen und Sehnenentzündungen zu den zahlreichsten Verletzungstypen (Abb. 2).

Abbildung 1

Abbildung 2

Bezogen auf die Körperregion sind Verletzungen am unteren und mittleren Rücken sowie dem Schulterbereich eher akut, während für das Knie vorrangig chronische Beschwerden auftreten (Abb. 3 & Abb. 4). Verletzungsbedingte Trainingsausfälle sind gering und betragen oft weniger als einen Tag. Das entspricht ca. 3,3 Verletzungen auf 1000 Trainingsstunden.

Abbildung 3

Abbildung 4

Die Ergebnisse verdeutlichen, dass Verletzungen im Gewichtheben gegenüber fälschlicher Annahmen eher selten sind. Dennoch sollte im Trainingsprozess stets berücksichtigt werden, dass am Rücken, dem Knie und der Schulter Beschwerden auftreten können. In den häufigsten Fällen werden Verletzungen durch trainingsbedingte Überlastungen hervorgerufen. Der Trainer sollte deshalb die Gesamtbelastung (Intensität und Umfang) zielgerichtet steuern, um genügend Reizwirksamkeit zu erzeugen und gleichzeitig Überlastungen zu vermeiden.

 

Rezension

 

Die Autoren bestätigten mit ihrer Studie, dass das Gewichtheben keine Sportart mit übermäßigen Verletzungen ist. Somit können auch Kinder und Jugendliche bedenkenlos das Gewichtheben trainieren. Auch die Annahme eines vorzeitigen Verschlusses der Wachstumsfugen – und damit die Reduktion des Körperlängenwachstums – bei heranwachsenden Kindern konnte nie belegt werden. Stattdessen bestehen positive Wirkungen des Gewichthebens auf den sich entwickelnden Organismus. Insbesondere die Körperhaltung wird positiv beeinflusst und hilft Kindern mit Haltungsschwächen, die immer häufiger beobachtet werden. Das Gewichtheben kann hier einen präventiven Beitrag leisten und somit langfristig vor gesundheitsschädigenden Haltungsfehlern vorbeugen.

 

Damit das Gewichtheben eine nahezu verletzungsfreie Sportart ist, sind bestimmte Rahmenbedingungen notwendig. An erster Stelle steht die Qualifikation des Trainers. Nur ein gut angeleitetes Training erzielt Leistungsfortschritte und beugt Verletzungen vor. Der richtige trainingsmethodische Aufbau ist hierfür die Grundlage. Wenn das Training nach entsprechenden Trainingsprinzipien aufgebaut wird, kann die Belastungsverträglichkeit gewahrt werden. Hierzu zählt zum einen die altersspezifische Belastungsgestaltung über Umfang und Intensität und zum anderen die Vermittlung einer guten sportlichen Technik. Ein zweiter Punkt ist das genutzte Equipment sowie die Trainingsbedingung. Gutes Hantelmaterial, ausreichend Magnesium, festes Schuhwerk und eine gute Heberplattform sind unverzichtbare Voraussetzungen für einen adäquaten Trainingsbetrieb.


Calhoon, G. & Fry, A. (1999). Injury rates and profiles of elite competitive weightlifters. Journal of Athletic Training, 34(3), 232-238. [LiDa]


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